Bedingungen typischer Verletzungen bei Nachwuchsspielerinnen
17.05.2023Verletzungen im Leistungsfußball der Frauen haben nicht zuletzt aufgrund von drei Kreuzbandrissen bei Spielerinnen des FC Arsenal in der laufenden Saison Aufmerksamkeit erzeugt. Auch im Nachwuchsbereich der Juniorinnen ist das Thema besonders relevant. Das NFZ hat eine Studie im Leistungssport zu den Bedingungen von Verletzungen bereits bei Juniorinnen veröffentlicht.
Wer die Premier League-Partie des FC Arsenal gegen Manchester United verfolgt hat, wurde Zeuge, wie sich Leah Williamson das Kreuzband gerissen hat. Das wäre der Fachpresse eigentlich keine Meldung Wert gewesen, wenn der FC Arsenal nicht schon zwei weitere Verletzungen gleicher Art in der laufenden Saison zu beklagen hätte. Einzig positiver Nebeneffekt dieser Verletzungsserie war, dass das Thema Verletzungsprävention im Frauenfußball vermehrt auf die Tagesordnung genommen wurde.
Dabei wird deutlich, dass im Bereich medizinischer Forschung bislang nur wenig über Bedingungen von typisch weiblichen Verletzungen bekannt ist, zumindest nicht im Profisport. Die VBG als zentraler Versicherer startet erst jetzt im Auftrag des DFB ein Verletzungsregister, das es für die Männer bereits seit Langem gibt.
Noch düsterer aber sieht die Forschungslage bei Juniorinnen im Leistungsfußball aus. Bisherige Studien beziehen sich zumeist nur auf Junioren und stammen aus den USA, Spanien oder Australien. Für Deutschland liegen noch keine Daten zu Verletzungsarten und -häufigkeiten im Juniorinnen-Fußball vor. Aus diesem Grund hat das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen vor der Corona-Pandemie eine Studie gestartet, die sich mit diesem Thema befasst.
Insgesamt wurden 127 Fußballerinnen der zweiten bis vierten Frauenligen zu ihrer Verletzungshistorie im Juniorinnen-Alter befragt. Die Ergebnisse sind jetzt in der offiziellen DOSB-Fachzeitschrift "Leistungssport" veröffentlicht und zeigen, dass Verletzungen der unteren Extremitäten und hier insbesondere Verletzungen der Bänder sowie Prellungen und Muskelzerrungen aufgetreten sind. Spielerinnen der U15 und U17 sind hier besonders betroffen.
Aber auch eine andere immer wieder diskutierte Verletzungsform kann das Team um Studienleiter Heinz Reinders nachweisen: jede sechste Spielerin berichtet von einer Gehirnerschütterung als Erst- oder Zweitverletzung. Diese Verletzung wird mittlerweile auch vom Deutschen Fußball-Bund sehr sensibel diskutiert und Veränderungen gerade im Nachwuchsbereich zum Schutz der jungen Talente angestrebt.
Eine Veränderung wünschen sich die Autoren der Studie aufgrund der gefundenen Ergebnisse schon jetzt. "Das Verletzungsrisiko ist für Mädchen, die in Jungenteams trainieren und spielen, deutlich erhöht. Das gilt gerade auch für das Thema Gehirnerschütterungen", begründet Sascha Goebel, Sportmediziner und Ko-Autor der Studie die Gesundheitswarnung. In der U17 sei bei Spielerinnen in Jungenteams oder mit Doppelspielrecht im Vergleich zu reinen Juniorinnen-Teams das Erschöpfungserleben besonders hoch. "Und geistige und körperliche Erschöpfung erhöht das Verletzungsrisiko nunmal enorm".
Aber auch Verletzungen der Bänder nehmen signifikant zu, wenn Spielerinnen in Jungenteams trainieren und spielen. In der U17 steigt das Verletzungsrisiko in diesem Bereich laut der vorgelegten Studie um über 40 Prozent. "Das können wir nicht auf die leichte Schulter nehmen", so Reinders, denn Erstverletzungen in der Jugend führen zu ungünstigen Verläufen in der weiteren Biographie, gerade weil die Prävention und medizinische Versorgung mit Ausnahme der Bundesliga noch sehr uneinheitlich gegeben sei.
Dass sich nun die an Trainer:innen im Leistungssport gerichtete Fachzeitschrift Leistungssport des DOSB des Themas und der Studienergebnisse angenommen hat, sehen die Autoren als wichtigen Schritt der Sensibilisierung an. Prof. Olaf Hoos ist ebenfalls Ko-Autor und Leiter des Sportzentrums an der Universität Würzburg. "Wir müssen das Thema sehr viel stärker in die Ausbildung der Trainer:innen, aber auch der zukünftigen Sportlehrkräfte integrieren."
Eine Sensibilisierung für das Thema sehen die Autoren unterdessen auch beim Verband. "Der DFB macht sich mit seinem Förderprogramm für den weiblichen Fußball auf den richtigen Weg und auch der Dialog mit dem Bayerischen Verband bahnt sich an", freut sich Reinders über die Perspektiven, die eigene Forschung nicht nur im Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen, sondern auch darüber hinaus zur Anwendung bringen zu können.
Die vollständigen Ergebnisse der bundesweit ersten Studie zu Verletzungsbedingungen bei Juniorinnen ist nachzulesen unter:
REINDERS, H., GOEBEL, S. & HOOS, O. (2023). Bedingungen für typische Verletzungen im Leistungsfußball der Juniorinnen. In: Leistungssport 03, S. 42-47.